Immobilienökonomische Methoden zur Entscheidungsunterstützung und Planung
Selektion und Integration im Rahmen der wertorientierten Steuerung von Immobilienportfolios institutioneller Anleger

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Vorwort

Theoriedefizit in der wertorientierten Steuerung der Asset-Klasse Immobilien im Portfolio institutioneller Investoren

Immobilieninvestitionen stellen gesamtwirtschaftlich und bezogen auf die jeweiligen Eigentümergruppen, Investitionsziele und Nutzungsarten signifikante Vermögenspositionen dar. Jährlich werden in Deutschland Neubauprojekte im Wert von ca. 70 Mrd. Euro genehmigt. Der inländische Gesamtbestand an Immobilien wird auf einen Wert von ca. 6.000 Mrd. Euro (Wiederbeschaffungspreise) geschätzt. Die statistisch erfasste Bruttowertschöpfung im Grundstücks- und Wohnungswesen, welche ersatzweise den Branchenumsatz beschreibt, wird auf ca. 235 Mrd. Euro p. a. beziffert. Dies stellt einen Anteil an der volks-wirtschaftlichen Wertschöpfung von knapp 11,8 Prozent dar. Die inländische Immobilienwirtschaft beschäftigt in den direkten branchenbezogenen Tätigkeitsfeldern zudem ca. 450.000 Asset-Manager, Projektentwickler, Immobilienverwalter, Berater und andere Dienstleister. Hinzu kommen mehr als 2 Mio. Beschäftigte im Baugewerbe. Zusätzlich sind immobiliennahe Branchen und Geschäftsfelder beispielsweise von Banken, Versicherungen, Versorgern, Lieferanten und Dienstleistern zu sehen. Für andere Industrie-länder gelten relativ zur Größe der jeweiligen Volkswirtschaft ähnliche Dimensionen. Die Vermögens-, Umsatz- und Beschäftigtenzahlen der Immobilienbranche verdeutlichen die grundsätzliche Relevanz der immobilienökonomischen Forschung und Praxis sowohl für die Volkswirtschaft insgesamt als auch für zahlreiche einzelwirtschaftliche Entscheidungen.

Diese Studie widmet sich insbesondere dem Segment der institutionellen Immobilienanlage. Im Fokus der Betrachtung stehen professionell anlegende Immobilienfonds, Immobilien-aktiengesellschaften, Versicherungen und Pensionskassen. Die anlegerbezogene Sicht zeigt im professionellen Marktsegment signifikante Vermögenspositionen. So wiesen die in Deutschland aufgelegten Offenen Immobilienfonds (inkl. Spezialfonds) trotz segmentbezogener Schwierigkeiten Ende 2012 ein Nettovermögen von ca. 119 Mrd. Euro aus. Bei geschlossenen Immobilienfonds umfasst das Eigenkapital derzeit ca. 37 Mrd. Euro, das Gesamtkapital (Immobilieninvestments inklusive Fremdkapital) ist auf ca. 72 Mrd. Euro zu quantifizieren. Erstversicherer und Pensionskassen besitzen Immobilien im Wert von 27 Mrd. Euro. Einschließlich weiterer professioneller Immobilieninvestmentvehikel wie Aktiengesellschaften (inkl. REITs), Wohnungsgesellschaften, Family Offices und Zweckgesellschaften ausländischer Fonds erreicht das professionell verwaltete Immobilienvermögen institutioneller Anleger eine Höhe von mehreren Hundert Milliarden Euro.

Die Chancen und Risiken überregionaler und zunehmend auch internationaler Immobilien-investments werden erst seit einiger Zeit erkannt und umfangreicher genutzt. Zusätzliche Akteure führen in den wesentlichen Märkten zu einem Anstieg der Transaktionshäufigkeit, einer Verkürzung der durchschnittlichen Haltedauer und einer verstärkten Marktvolatilität. Lokale Immobilienergebnisse sind damit zunehmend auch von der internationalen Wirtschaftsentwicklung abhängig. Immobilienökonomen müssen bei ihren Entscheidungen Wirkungen bzw. Wechselwirkungen des Immobilienmarktes im Zusammenhang mit der Konjunktur, der Währungsentwicklung, der Bankenwirtschaft, dem Rechtssystem und der Politik erkennen und bewerten. Ein Immobilienportfolio ist aus Investmentsicht analog zu anderen Asset-Klassen zu steuern. Dies erfordert einheitliche Entscheidungsmodelle und Kennzahlen. Marktbezogene Spezifika sollten in diesen Modellen auf Parameterebene verarbeitet werden, sie rechtfertigen jedoch nicht grundsätzlich eine Minderperformance oder abweichende Entscheidungsprämissen.

Die immobilienökonomische Perspektive i. e. S. hat vordergründig die mit dem Einsatz finanzieller Ressourcen verbundene Investition in Immobilien und Immobilienportfolios zu planen und zu bewerten. Dabei soll die betrachtete Investition einen Überschuss in Form von Cash Flows (laufende Rückflüsse) bzw. Wertentwicklungen (potenzielle Rückflüsse) generieren. Diese Rückflüsse, die über Erwartungswerte und Risiken betrachtet werden, müssen in ihrer Höhe angemessen sein, damit die Immobilieninvestition „wirtschaftlich“ ist. Parameter wie Langfristigkeit, Heterogenität und Standortabhängigkeit waren dabei schon immer kennzeichnend für die einzelne Immobilieninvestition. Ein erweiterter fachlicher Anspruch an die immobilienökonomischen Modelle der Entscheidungsunterstützung und Planung entsteht aus der zunehmenden Komplexität von Immobilienmärkten und Immobilienanlageprodukten. Die Ergebnisse einfacher Analysen sind dementsprechend oft unsicher.

Der immanente Bedarf an fundierten, immobilienökonomisch angepassten Analyse-instrumenten, insbesondere im Bereich der Entscheidungsunterstützung und Planung, steht im drastischen Gegensatz zur unternehmerischen Praxis. Wie Umfragen sowie weitere Informationsquellen zeigten, werden immobilienwirtschaftliche Entscheidungen im Akquisitions- und Portfoliomanagement häufig pauschal auf Basis von Anfangsrenditen und einiger qualitativer Parameter getroffen. Werden mehrjährige Kalkulationstabellen erstellt, so erfolgt dies meist auf Basis sehr einfacher, pauschaler Planungsansätze. Die Modelle der Planung und Risikoquantifizierung sind branchenbezogen noch wenig entwickelt. Die Aussagen stützen sich u. a. auf zwei empirische Befragungen, welche den Einsatz von Modellen der Entscheidungsunterstützung bzw. von Modellen der Planung und Prognose eruieren (Kapitel 2.1.3 und 4.1.5). Bestätigt werden diese Angaben durch zahlreiche Berichte aus dem Umfeld von Unternehmen und Verbänden sowie mehrjährige Branchenkontakte im Rahmen der eigenen Tätigkeit.

Aus der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre sind diverse theoretische Modelle zur Entscheidungsunterstützung und Planung bekannt. Diese werden in anderen Branchen – wie z. B. der Finanz- und Versicherungswirtschaft oder im produzierenden Gewerbe – auch praxisbezogen angewendet. Die festgestellten Defizite im Bereich der Entscheidungsunter-stützung und Planung sind in der Immobilienwirtschaft signifikant. Herauszuarbeiten sind die Gründe, die eine immobilienwirtschaftliche Anwendung von Entscheidungstheorien und Planungsmodellen bisher verhindern. Empirische Umfragen sind hierfür ein Ausgangspunkt. Die Erkenntnis darf dabei jedoch nicht nur auf der Zusammenfassung von Meinungen beruhen, vielmehr muss die Diskussion hinsichtlich vermuteter, festgestellter und akzeptier-ter Gründe auch theoretisch geführt werden. Dem Theoriedefizit gegenüberzustellen ist der generelle Bedarf an weiterführenden analytischen Modellen. Dieser lässt sich grundsätzlich aus dem Wert der Vermögensgegenstände insgesamt, anhand des Werteinflusses der einzelnen Entscheidung auf die Vermögenslage und mit entsprechenden Verlust- bzw. Haftungsrisiken begründen. Naheliegend ist weiterhin eine entsprechende Minderperformance der Portfolios aufgrund von wiederholten Entscheidungsfehlern.

Ansätze, Aussagen und Leistungsfähigkeit verschiedener Entscheidungsmodelle sollen dementsprechend verglichen und mittels geeigneter Auswahlverfahren (Ausschluss und Priorisierung über Kriterien) selektiert werden. Die nachfolgende Untersuchung soll zu einer Verbesserung des Status Quo der immobilienökonomischen Analysepraxis beitragen. Dies erfolgt durch die Adaption allgemeiner Modelle der Entscheidungsunterstützung und Planung auf die spezifischen Einsatzbedingungen in der Immobilienwirtschaft. Dies soll nicht rein normativ im Sinne einer Modellvorgabe erfolgen. Vielmehr werden die Anforderungen und Restriktionen der Praxis einbezogen, ohne dass diese die Entwicklung dominieren. Möglich ist dies beispielsweise durch einen sekundären Filter, der mehrere wissenschaftlich gleichwertige Methoden priorisiert oder Modelle aufgrund tatsächlicher Anwendungs-hindernisse ausschließt.

Im Einzelnen lauten die Entwicklungsziele wie folgt:

Insgesamt soll aufgezeigt werden, dass insbesondere investitionsbezogene Entscheidungs-situationen institutioneller Immobilieninvestoren durch wissenschaftlich fundierte und praxisbezogen anwendbare Modelle wirksam unterstützt werden können. Mittelbar soll die Entwicklung auch Entscheidungen im taktischen und operativen Bereich des professionellen Immobilienmanagements verbessern. Eine Übertragung auf das semiprofessionelle Immobi-lienmanagement wird – gegebenenfalls in vereinfachter Form – angestrebt, sofern der Immobilieninvestor primär finanzwirtschaftliche Ziele verfolgt. Generelles Ziel ist die Optimierung immobilienökonomischer Investitions- und Managemententscheidungen.

Die Analyse- und Entwicklungsschritte orientieren sich an einem Gesamtmodell der immobi-lien¬ökonomischen Entscheidungsunterstützung, welches die notwendige Prognose und Datenbeschaffung einschließt. Der Entwicklungsrahmen wird durch ein Beschreibungsmodell repräsentiert, das den Handlungsrahmen institutioneller Immobilieninvestoren im Rahmen des professionellen Portfoliomanagements charakterisiert. Im Erklärungsmodell werden die wesentlichen Zusammenhänge zwischen strategischen, taktischen und operativen Hand-lungsalternativen und ihren wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Portfolioperformance analysiert. Den Kern der Untersuchung bilden branchen¬spezifische Entscheidungsunterstüt-zungsmodelle. Diese sind über ihren Datenbedarf mit geeigneten immobilienwirtschaftlichen Prognosemodellen zu verknüpfen.

Abbildung 1: Modellhierarchie im Bereich des institutionellen Immobilienportfoliomanagements

Im Kapitel 1 wird der grundsätzliche Bedarf an theoretisch fundierten Entscheidungsmodel-len zur Unterstützung des immobilienökonomischen Investitionsprozesses herausgearbeitet. Im Einzelnen erfolgt dies über den Gegenstand und die Determinanten typischer Entschei-dungsfälle, woraus sich die Komplexität des Entscheidungs- und Steuerungssystems ableitet. Dementsprechend werden die Anforderungen an ein ganzheitliches Entscheidungsmodell zur Bewertung immobilienwirtschaftlicher Investitionsalternativen definiert.

Das Kapitel 2 widmet sich der Systematisierung, der Bewertung, der Auswahl und der Anpassung potenzieller Modelle der Entscheidungsunterstützung unter Beachtung der zuvor definierten Anforderungen. Die entsprechenden Bewertungsansätze, Kennzahlen und Algorithmen werden mit quantitativen und qualitativen Kriterien hinsichtlich ihrer Relevanz und Eignung unterschieden. Ergänzend werden die Ergebnisse einer empirischen Umfrage zur Modellkenntnis und zu Anwendungserfahrungen in der Immobilienbranche herangezo-gen. Über einen Filterprozess ergibt sich eine Teilmenge immobilienökonomisch relevanter Modelle der Entscheidungsunterstützung. Diese können anhand bestimmter Selektionskrite-rien wie der Bedeutung oder der Komplexität der Entscheidungssituation im Anwendungsfall zielsicher ausgewählt werden.

Ein zentrales Kriterium für die Anwendung der Entscheidungsmodelle ist eine ausreichende Datengrundlage. Andernfalls könnten theoretisch geeignete Formeln und Algorithmen in die immobilienanalytischen Modelle zwar technisch implementiert werden, diese würden jedoch ohne schlüssige Verknüpfungen zu Marktentwicklungen, Portfoliomanagementpro-zessen und anderen Einfluss¬bereichen keine Relevanz für die praktische Entscheidungssituation besitzen. Im Kapitel 3 wird diese Verknüpfung über eine mehrstufige Deduktion bis auf eine detaillierte Parameterebene an einem ausgewählten Entscheidungs-modell beispielhaft entwickelt. Auf der Detailebene der Eingangsparameter wird deutlich, dass nur ein Teil der notwendigen Informationen in den operativen Systemen bereits vorliegt oder über Schnittstellen eingebunden werden kann. Für einen weiteren Teil des Datenbedarfs können externe Anbieter angefragt werden (empirische Erhebung zu verfüg-baren Marktdaten). Eine signifikante Menge der Modellparameter umfasst jedoch zukunftsbezogene Kennzahlen zu technischen, nutzungsbezogenen und wirtschaftlichen Sachverhalten. Diese sind zu prognostizieren bzw. zu planen. Daraus ergeben sich entspre-chende Anforderungen an eine zweite, parallel zu installierende Modellgruppe, die Prognosemodelle.

Das Kapitel 4 widmet sich – in einer analogen Struktur zu Kapitel 2 – der Systematisierung, der Bewertung, der Auswahl und der Anpassung potenzieller Modelle der Prognose und Planung. Auch hier werden anfangs quantitative und qualitative Bewertungskriterien definiert, wonach Prognoseansätze und -algorithmen hinsichtlich ihrer immobilienökonomi-schen Relevanz und Eignung unterschieden werden können. Eine weitere empirische Umfrage zur Modellkenntnis und Anwendungserfahrung unterstützt diesen Entwicklungs-schritt. Über einen Filterprozess ergibt sich eine Teilmenge immobilienökonomisch relevanter Prognosemodelle. Die wesentlichen Selektionskriterien zur Auswahl eines Modells für die jeweilige Planungsaufgabe sind einerseits in der Komplexität der Prognosesituation und andererseits im Zeithorizont der Prognoseaufgabe zu sehen.

Im Kapitel 5 erfolgt die Integration von Entscheidungs- und Prognosemodellen in die Strukturen und Prozesse des Immobilienportfoliomanagements. Ausgehend von den anfangs im Kapitel 1 definierten Rahmenbedingungen werden dabei insbesondere Fragen der organisatorischen und informationstechnischen Umsetzung geklärt. Individuelle, unterneh-mens¬spezifische Lösungen können in diesem Sinne nicht diskutiert werden, jedoch sollen allgemeingültige Prämissen und Restriktionen der Umsetzung im Immobilienunternehmen herausgearbeitet werden.

Die Gesamtstruktur berücksichtigt somit drei Untersuchungs- und Entwicklungsebenen. Die übergeordnete, organisationsbezogene Ebene der immobilienökonomischen Integration wird abgebildet durch:

Die mittlere, modelltheoretischen Ebene der Entwicklung wird abgebildet durch:

Die untere, daten- bzw. parameterbezogene Ebene der Verknüpfung wird abgebildet durch:

wobei auf dieser Ebene insbesondere die notwendigen Verknüpfungen, Strukturen und Datenschnittstellen beachtet werden. Eine Gesamtübersicht der Untersuchungsschritte zeigt die Abbildung auf der nachfolgenden Seite.

Ich danke allen, die zum Gelingen dieser komplexen Publikation beigetragen haben – sei es durch vielfältige Ideen und Hinweise im Vorfeld und im Laufe der Bearbeitung, konstruktive Diskussionen bei gemeinsamen Projekten in Wissenschaft und Praxis, wertvolle Hilfe bei der Erstellung von Datenbanken und Abbildungen, intensives und mehrfaches Lektorat oder die

ebenso wichtige persönliche Unterstützung.

Allen Lesern wünsche ich eine angenehme und nützliche Lektüre. Über einen regen

Austausch zu Erfahrungen und Ideen im Bereich der immobilienwirtschaftlichen

Entscheidungsunterstützung und Planung würde ich mich sehr freuen.

Steffen Metzner Leipzig, Sommer 2013


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